Von RA Christian Sitter, Fachanwalt für Verkehrsrecht

- Geblitzt?
- Mit dem Handy am Steuer erwischt?
- Angeblich rote Ampel überfahren?
- In einer Verkehrsunfallsache voreilig von den ermittelnden Polizeibeamten als Schuldiger „überführt“?
Immer wieder werden wir gefragt, ob es denn Sinn macht, gegen ein Bußgeld vorzugehen.
Meine Antwort als erfahrener Verkehrsrechtler: fast immer! Eine Verurteilung in einem OWi-Verfahren kann mittlerweile wesentlich gravierendere Folgen für einen Betroffenen haben als in einem Strafverfahren. Nicht selten geht es um dessen berufliche und damit wirtschaftliche Existenz, wenn ein Moment der Nichtaufmerksamkeit ein vielleicht dreimonatiges Fahrverbot nach sich zieht. Für den Geschäftsführer einer kleinen Handwerksfirma, einen Vertriebsleiter, einen Berufskraftfahrer kann dies das berufliche „Aus“ bedeuten. Schon ein Fahrverbot von einem Monat kann sich als wirtschaftlich fatal erweisen, wenn Sie auf Gedeih und Verderb auf Ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind.
Allerdings: wer im OWi-Verfahren erfolgreich sein will, braucht nicht nur juristisches Handwerkszeug, sondern auch Haltung. Denn bis zur Verfahrenseinstellung oder „Deal“ mit dem Gericht haben Gesetzgeber und Rechtsprechung viele teils bedenkliche Hürden aufgebaut. Das Gesetz sieht Verkehrs-OWis als „Massenverfahren“, für die viele Beweiserleichterungen gelten. Dies führt oft dazu, dass ohnehin stark belastete Richter die Verfahren am liebsten schnell durchwinken.
Eine Kunstschöpfung der Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte hilft ihnen dabei:
Wird ein gängiges Messgerät von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in seiner Bauart zugelassen, vorschriftsmäßig geeicht und achtet besonders geschultes Personal auf die vorschriftsmäßige Bedienung, spricht man vom „standardisierten Messverfahren“. Das Gericht darf dann unterstellen, dass allein durch die Zulassung durch die Bundesanstalt alle Geräte dieses Typs fehlerfrei funktionieren. Will der Mandant dies überprüfen lassen, muss er konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Messung vorbringen. Tut er dies nicht, braucht der Tatrichter einem Beweisantrag nicht nachzugehen und kann diesen gem. § 77 Abs. 2 S. 1 OWiG als „zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich“ ablehnen.
Wie soll er aber Messfehler rügen, wenn er über die Messung überhaupt nichts sagen kann? Sein Verteidiger kann Akteneinsicht beantragen, nur um dann festzustellen, dass wesentliche Unterlagen und Informationen gar nicht enthalten sind. Rügt er dies, bekommt er oft vom Tatrichter zu hören, dass es auf diese Informationen gar nicht ankommt.
Verstehen Sie jetzt, was ich mit „Haltung“ meine?
Die Verteidigung in OWi-Verfahren ist das Bohren besonders dicker Bretter. Das sich aber am Ende nicht selten lohnt. Wenn der Verteidiger am Ball bleibt und die Rechte des Mandanten immer wieder gebetsmühlenhaft geltend macht.
Welche Stufen der Verteidigung gibt es überhaupt?
- Der Verteidiger greift bereits die tatsächlichen Voraussetzungen des Vorwurfs an den Mandanten an;
- Der Verteidiger prüft, ob der Bußgeldbescheid wirksam ist;
- Der Verteidiger bereitet die Hauptverhandlung vor;
- Der Verteidiger nutzt neue Umstände, die in der Hauptverhandlung auftreten, zu Beweisanträgen, Einstellungsanträgen oder dem Angebot, ein Fahrverbot gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße fallen zu lassen;
- Der Verteidiger prüft, ob Verfahrens- oder (allgemeine) Sachrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren Erfolg versprechen.
Erfolg gibt es nicht auf dem Weg des geringsten Widerstands.
Erfolg gibt es dort, wo die Verteidigung bereit ist, Konflikte auszutragen.
Erfolgreiche OWi-Verteidigung heißt: nicht klein beigeben.
Wir erleben es jeden Tag: Dort, wo Verteidiger klar auftreten, wo sie
• Akteneinsicht richtig durchfechten,
• Messdaten einfordern,
• Sachverständige selbst bestimmen,
• Vorgaben der Rechtsschutzversicherer zurückweisen,
• und notfalls Beschwerde einlegen,
dort kommen Einstellungen und Deals.
Nur ein Beispiel: in einem OWi-Verfahren mit Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsverstoß gegenüber einem ehem. Olympiasieger, jetzt Leiter einer Sportschule, sind uns nicht erklärbare Reflexionen auf dem Frontfoto aufgefallen. Ein eingeholtes und vom Rechtsschutzversicherer gedecktes Sachverständigengutachten bestätigte unseren Verdacht und es kam sehr zur Freude des besorgten Mandanten zur Verfahrenseinstellung.
In einem anderen Verfahren wegen angeblicher Handynutzung am Steuer konnten die als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommenen Polizisten auf gezielte Befragung nicht bestätigen, dass der Mandant das Mobilgerät auch genutzt hat. Es nur in die Hand zu nehmen und wegzulegen ist kein Verstoß gegen die StVO. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt.
Und dort, wo man „es halt so hinnimmt“?
Da gewinnt die Gegenseite — ganz leise, ganz systematisch.
OWi-Verteidigung ist heute mehr denn je eine Verteidigung gegen das System.
Unser Versprechen: wir verwalten Ihr Verfahren nicht nur, wir stehen für Sie ein!
Der Verfasser dieses Beitrages ist seit fast 20 Jahren Fachanwalt für Verkehrsrecht und Autor diverser Bücher zum OWi-Verfahren. Vertrauen Sie ihm ihren Fall an!